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Alle Kinder haben Rechte!

6. April 2023

6 Minuten Lesedauer

Michael Kostrzebski

Ob in Deutschland, Peru oder Äthiopien. Überall auf der Welt haben Kinder gleiche Rechte. Doch wofür genau steht die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention?

Das am 20. November 1989 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete Übereinkommen über die Rechte des Kindes (Kurzform: UN-KRK; engl.: Convention on the Rights of the Child) ist der weltweit meist anerkannte Menschenrechtsvertrag. Mit der UN-KRK geht das Ziel einher, Kinder in den Fokus internationalen Rechtsschutzes zu stellen und als Menschen mit eigenen und unveräußerlichen Rechten anzuerkennen. Deutschland hat die Konvention im Jahre 1992 zunächst mit Vorbehalten ratifiziert und sich damit zu ihrer Umsetzung verpflichtet. Seit 2010 gilt sie vorbehaltlos für alle in Deutschland lebenden Kinder und Jugendlichen im Alter von 0 bis 18 Jahren. Mit Ausnahme der USA haben sich auch alle weiteren UN-Mitgliedsstaaten verpflichtet, die Rechte von Kindern zu achten, zu schützen, zu gewährleisten und in nationales Recht zu überführen.

Kinderrechte sind universell,
unteilbar und unveräußerlich

Festgehalten sind die verbindlichen Standards der Kinderrechtskonvention in insgesamt 54 Artikeln. Sie haben zum Ziel, die Würde, das Leben und die Entwicklung von Kindern sicherzustellen. Dabei werden Kinder und Jugendliche in erster Linie als Menschen anerkannt, die sich in einer sensiblen Entwicklungsphase befinden und deswegen des besonderen Schutzes, der Förderung und der Beteiligung bedürfen. 

  1. Schutzrechte umfassen all diejenigen Rechte, die Kindern angesichts ihrer Verletzlichkeit besonderen Schutz gewährleisten. Staaten müssen deswegen dafür sorgen, dass Kinder vor sexualisierter, physischer oder psychischer Gewalt, Ausbeutung, Kinderarbeit und Verwahrlosung geschützt werden.
  1. Versorgungs- und Förderrechte: Jedes Kind hat ein Recht auf eine bestmögliche Entwicklung. Um diese zu gewährleisten, müssen Grundbedürfnisse wie angemessene Lebensbedingungen, vollwertige Nahrung oder sauberes Trinkwasser gewahrt werden. Damit verknüpft ist das Recht auf Gesundheit, Gesundheitsvorsorge und medizinische Versorgung. Außerdem haben alle Kinder ein Recht auf Bildung und die Entfaltung ihrer persönlichen Identität.
  1. Unabhängig ihrer Eltern oder anderen Erziehungsberechtigten haben Kinder und Jugendliche bürgerliche und politische Rechte. Dementsprechend umfassen Beteiligungsrechte unter anderem das Recht auf Informationsfreiheit sowie auf Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit. Dabei müssen Staaten Informationen kindgerecht aufbereiten und altersgemäße Beteiligungsformen schaffen.

Bei der Umsetzung der Konvention müssen sich Staaten zudem an vier Leitprinzipien orientieren, welche den Artikeln der Kinderrechtskonvention zugrunde liegen.  

Gleichbehandlung und Schutz vor Diskriminierung

Jedes Kind, unabhängig seiner Hautfarbe, Religion oder Sprache, ob mit Behinderung oder ohne und unabhängig des Aufenthaltsstatus, besitzt die gleichen Rechte und darf nicht benachteiligt werden.

Vorrangigkeit des Kindeswohls

Das Wohl des Kindes muss als ein vorrangiger Aspekt berücksichtigt werden – dies gilt sowohl in Familien als auch in der Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung.

Recht auf Leben und Entwicklung

Jedes Kind hat ein Recht auf bestmögliche Entwicklungschancen und ein gelingendes Leben.

Berücksichtigung des Kinderwillens

Alle Kinder haben ein Recht darauf, bei betreffenden Angelegenheiten gehört und mit ihren Standpunkten und Bedürfnissen berücksichtigt zu werden.

Die Rechte von Kindern und Jugendlichen sind universell, unteilbar und unveräußerlich. Und sie bedingen sich gegenseitig. Wird ein Recht verletzt, wirkt sich das entsprechend auf andere Rechte aus. Wenn Kinder beispielsweise keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben und durch die mühsame und zeitintensive Wasserbeschaffung nicht zur Schule gehen können, wird neben Artikel 24 (Recht auf Gesundheit) auch Artikel 28 (Recht auf Bildung) verletzt.

Perspektivwechsel: Vom Objekt zum Subjekt

Erfahrungsgemäß sind es die Erwachsenen, die von der Annahme geleitet werden, am besten zu wissen, was für Kinder gut und richtig ist. Diese historisch gewachsene Auffassung hängt unter anderem damit zusammen, dass Kinder lange Zeit mit Erwachsenen rechtlich nicht gleichgestellt waren. Das Inkrafttreten der UN-Kinderrechtskonvention stellt eine solche Annahme durch einen Paradigmenwechsel in Frage. Dabei werden Kinder nicht mehr wie zuvor als Objekte von Erziehung, Entwicklung, Wohlbefinden und Bildung betrachtet, sondern als Subjekte ihres eigenes Lebens. Das erfordert von Erziehungsberechtigten, pädagogischen Mitarbeiter*innen und allen weiteren erwachsenen Begleitenden, eigene Bilder und Werte, Standpunkte und Haltungen kritisch zu hinterfragen und möglicherweise zu revidieren. Es sind die Erwachsenen, die die Verantwortung dafür tragen, Kindern zuzuhören und ihre Wünsche sowie Meinungen bei Entscheidungen zu berücksichtigen. Die UN-KRK rückt das Kind mit seinen Gefühlen, Bedürfnissen und Rechten in den Mittelpunkt der erwachsenen Betrachtungsweise. So kann sich aus einer wohltätig motivierten Herangehensweise eine rechtebasierte Beziehung zwischen Erwachsenen und Kindern entfalten.

Das Problem ist: Kinderrechte sind nicht einklagbar

Die Ratifizierung der Kinderrechtskonvention ist keine Garantie dafür, dass Kinderrechtsverletzungen ausbleiben. In einem Bericht der National Coalition Deutschland (2019) – einem Zusammenschluss von 101 Verbänden – werden zahlreiche Verletzungen wie Kinderarmut, ungleiche Bildungschancen, Diskriminierungserfahrungen und unzureichende Berücksichtigung der Interessen von Kindern sowie ihrer Förderung und Beteiligung angemahnt. Außerhalb Deutschlands sind im Besonderen ausbeuterische Kinderarbeit und der fehlende Zugang zu Bildung zu beobachten. Überall auf der Welt sind Kinder jedoch überproportional von Armut betroffen. 

„Kinderrechte sind Menschenrechte. Deren Verwirklichung lässt sich daran messen, inwieweit die Schwächsten in einer Gesellschaft zu ihrem Recht kommen. Und da gibt es in Deutschland noch viel zu tun“

(Luise Pfütze, Sprecher der National Coalition Deutschland)

Der wichtigste Hebel: Das System Schule

Eine besondere Bedeutung kommt im Zusammenhang mit der UN-KRK dem System Schule zu. Eine Aufgabe von Schule muss es sein, Kinder und Jugendliche zu befähigen, ihre Rechte zu kennen und diese in Anspruch zu nehmen. Umsetzen lässt sich dies durch den dreistufigen Ansatz “Lernen über Rechte, durch Rechte und für Rechte”. 

Kaum ein anderer Ort bietet solch vielfältige Chancen, demokratisches Handeln – also Partizipation, Beteiligung an relevanten Entscheidungen und Verantwortungsübernahme – einzuüben. Dies kann sich beispielsweise in der Gestaltung von Unterricht oder in der Teilnahme an Kinderrechtsprojekten widerspiegeln.

Erst wenn Kinder und Jugendliche ihre Rechte kennen, können sie sich dafür einsetzen und sich für die Inanspruchnahme der Rechte anderer Kinder und Jugendlicher stark machen.

Kinderrechtsbildung darf jedoch nicht nur ein beliebiges Fach sein. Sie muss als fächerübergreifende und systematische Aufgabe verstanden werden, die Bestandteil von Schulprogrammen und der Haltung pädagogischer Fachkräfte ist. Dazu müssen Rahmenbedingungen und Abläufe an Schulen überprüft und demokratische Formate strukturell verankert werden. 

Zusammenfassung der wichtigsten Punkte:

  • Die UN-Kinderrechtskonvention existiert seit dem Jahr 1989. In Deutschland gilt sie seit 2010 vorbehaltlos für alle Kinder und Jugendlichen im Alter von 0 bis 18 Jahren.
  • Der mit der UN-KRK einhergehende Paradigmenwechsel setzt das Kind mit seinen Gefühlen, Bedürfnissen und Rechten in den Mittelpunkt. 
  • Durch die UN-KRK sollen Kinder nicht nur geschützt werden. Sie haben wie Erwachsene auch das Recht darauf, im demokratischen Sinne gehört und beteiligt zu werden. 
  • Trotz Ratifizierung und großem Fortschritt werden Kinderrechte weltweit  noch immer missachtet. Besonders betroffen sind Kinder von Armut.
  • Die große Chance auf Veränderung steckt im System Schule. Es bietet vielfältige Chancen auf das Einüben demokratischer Prinzipien.