Verstehen
6. April 2023
Lernen fürs (Über-)Leben
Bildung für nachhaltige Entwicklung setzt bereits im Kindesalter an und soll zu einer gerechteren und nachhaltigeren Lebensweise beitragen. Doch was steckt eigentlich hinter dem Kürzel...
Verstehen
6. April 2023
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Ob in Deutschland, Peru oder Äthiopien. Überall auf der Welt haben Kinder gleiche Rechte. Doch wofür genau steht die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention?
Das am 20. November 1989 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete Übereinkommen über die Rechte des Kindes (Kurzform: UN-KRK; engl.: Convention on the Rights of the Child) ist der weltweit meist anerkannte Menschenrechtsvertrag. Mit der UN-KRK geht das Ziel einher, Kinder in den Fokus internationalen Rechtsschutzes zu stellen und als Menschen mit eigenen und unveräußerlichen Rechten anzuerkennen. Deutschland hat die Konvention im Jahre 1992 zunächst mit Vorbehalten ratifiziert und sich damit zu ihrer Umsetzung verpflichtet. Seit 2010 gilt sie vorbehaltlos für alle in Deutschland lebenden Kinder und Jugendlichen im Alter von 0 bis 18 Jahren. Mit Ausnahme der USA haben sich auch alle weiteren UN-Mitgliedsstaaten verpflichtet, die Rechte von Kindern zu achten, zu schützen, zu gewährleisten und in nationales Recht zu überführen.
Festgehalten sind die verbindlichen Standards der Kinderrechtskonvention in insgesamt 54 Artikeln. Sie haben zum Ziel, die Würde, das Leben und die Entwicklung von Kindern sicherzustellen. Dabei werden Kinder und Jugendliche in erster Linie als Menschen anerkannt, die sich in einer sensiblen Entwicklungsphase befinden und deswegen des besonderen Schutzes, der Förderung und der Beteiligung bedürfen.
Bei der Umsetzung der Konvention müssen sich Staaten zudem an vier Leitprinzipien orientieren, welche den Artikeln der Kinderrechtskonvention zugrunde liegen.
Die Rechte von Kindern und Jugendlichen sind universell, unteilbar und unveräußerlich. Und sie bedingen sich gegenseitig. Wird ein Recht verletzt, wirkt sich das entsprechend auf andere Rechte aus. Wenn Kinder beispielsweise keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben und durch die mühsame und zeitintensive Wasserbeschaffung nicht zur Schule gehen können, wird neben Artikel 24 (Recht auf Gesundheit) auch Artikel 28 (Recht auf Bildung) verletzt.
Erfahrungsgemäß sind es die Erwachsenen, die von der Annahme geleitet werden, am besten zu wissen, was für Kinder gut und richtig ist. Diese historisch gewachsene Auffassung hängt unter anderem damit zusammen, dass Kinder lange Zeit mit Erwachsenen rechtlich nicht gleichgestellt waren. Das Inkrafttreten der UN-Kinderrechtskonvention stellt eine solche Annahme durch einen Paradigmenwechsel in Frage. Dabei werden Kinder nicht mehr wie zuvor als Objekte von Erziehung, Entwicklung, Wohlbefinden und Bildung betrachtet, sondern als Subjekte ihres eigenes Lebens. Das erfordert von Erziehungsberechtigten, pädagogischen Mitarbeiter*innen und allen weiteren erwachsenen Begleitenden, eigene Bilder und Werte, Standpunkte und Haltungen kritisch zu hinterfragen und möglicherweise zu revidieren. Es sind die Erwachsenen, die die Verantwortung dafür tragen, Kindern zuzuhören und ihre Wünsche sowie Meinungen bei Entscheidungen zu berücksichtigen. Die UN-KRK rückt das Kind mit seinen Gefühlen, Bedürfnissen und Rechten in den Mittelpunkt der erwachsenen Betrachtungsweise. So kann sich aus einer wohltätig motivierten Herangehensweise eine rechtebasierte Beziehung zwischen Erwachsenen und Kindern entfalten.
Die Ratifizierung der Kinderrechtskonvention ist keine Garantie dafür, dass Kinderrechtsverletzungen ausbleiben. In einem Bericht der National Coalition Deutschland (2019) – einem Zusammenschluss von 101 Verbänden – werden zahlreiche Verletzungen wie Kinderarmut, ungleiche Bildungschancen, Diskriminierungserfahrungen und unzureichende Berücksichtigung der Interessen von Kindern sowie ihrer Förderung und Beteiligung angemahnt. Außerhalb Deutschlands sind im Besonderen ausbeuterische Kinderarbeit und der fehlende Zugang zu Bildung zu beobachten. Überall auf der Welt sind Kinder jedoch überproportional von Armut betroffen.
„Kinderrechte sind Menschenrechte. Deren Verwirklichung lässt sich daran messen, inwieweit die Schwächsten in einer Gesellschaft zu ihrem Recht kommen. Und da gibt es in Deutschland noch viel zu tun“
(Luise Pfütze, Sprecher der National Coalition Deutschland)
Eine besondere Bedeutung kommt im Zusammenhang mit der UN-KRK dem System Schule zu. Eine Aufgabe von Schule muss es sein, Kinder und Jugendliche zu befähigen, ihre Rechte zu kennen und diese in Anspruch zu nehmen. Umsetzen lässt sich dies durch den dreistufigen Ansatz “Lernen über Rechte, durch Rechte und für Rechte”.
Kaum ein anderer Ort bietet solch vielfältige Chancen, demokratisches Handeln – also Partizipation, Beteiligung an relevanten Entscheidungen und Verantwortungsübernahme – einzuüben. Dies kann sich beispielsweise in der Gestaltung von Unterricht oder in der Teilnahme an Kinderrechtsprojekten widerspiegeln.
Erst wenn Kinder und Jugendliche ihre Rechte kennen, können sie sich dafür einsetzen und sich für die Inanspruchnahme der Rechte anderer Kinder und Jugendlicher stark machen.
Kinderrechtsbildung darf jedoch nicht nur ein beliebiges Fach sein. Sie muss als fächerübergreifende und systematische Aufgabe verstanden werden, die Bestandteil von Schulprogrammen und der Haltung pädagogischer Fachkräfte ist. Dazu müssen Rahmenbedingungen und Abläufe an Schulen überprüft und demokratische Formate strukturell verankert werden.