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Menstruationshygiene – Warum sie für Mädchen in Ostafrika alles verändert

18. Juni 2025

10 Minuten Lesedauer

Jeden Tag fehlen Millionen Mädchen weltweit in der Schule – nur weil sie ihre Periode haben. In Ostafrika trifft das besonders viele: Dort ist die Ausstattung vieler Schulen so schlecht, dass Mädchen während ihrer Menstruation keine sichere Rückzugsmöglichkeiten haben. Das hat Folgen, nicht nur für den Schulbesuch, sondern auch für ihr Selbstbewusstsein, ihre Zukunft und ihre Chancen im Leben. Dieser Artikel zeigt, was Menstruationshygiene wirklich bedeutet, warum sie weit über Binden hinausgeht und wie einfache Maßnahmen das Leben von Mädchen in Äthiopien, Kenia und Tansania grundlegend verändern. 

Wenn Scham den Stundenplan bestimmt – ein Morgen in Narok

Sie will zur Schule gehen – eigentlich.

Neelai ist 14 Jahre alt. Sie lebt in der Gemeinde Ildongisho in der Region Narok, rund fünf Autostunden entfernt von der kenianischen Hauptstadt Nairobi. An diesem Morgen ist sie früh wach. Ihre Schuluniform hängt über dem Lehnstuhl. Sie will zur Schule gehen – eigentlich. Doch dann spürt sie das unangenehme Ziehen im Unterleib. Die Schmerzen. Sie weiß sofort, was los ist: Ihre Periode ist da. Und das bedeutet: zuhause bleiben. 

Denn in ihrer Schule gibt es keine Möglichkeit, sich während der Menstruation zurückzuziehen. Keine saubere Toiletten. Keine Binden. Keine Privatsphäre. Kein Verständnis. Nur Angst, Scham und das starke Gefühl, heute nicht sicher zu sein.



Menstruationshygiene – was wirklich dahinter steckt

Das Beispiel von Neelai ist fiktiv, denn in der Schule in Ildongisho gibt es dank eines unserer Projekte mittlerweile sauberes Wasser und geschlechtergetrennte Sanitäranlagen mit einem Rückzugsort für Menstruierende. Doch das Thema kann nicht realer sein. 

Das Wort selbst klingt technisch: Menstruationshygiene. Gemeint ist damit weit mehr als ein Produkt. Es geht um die Bedingungen, unter denen Mädchen und Frauen ihre Periode ertragen müssen. Das UN-Kinderhilfswerk UNICEF beschreibt es so: 

Doch in vielen Ländern und Regionen im östlichen Afrika fehlt es genau daran. Die Auswirkungen sind dramatisch.

“Ich wollte mich nicht blamieren.” – Wie Scham zur Barriere wird

Daliila (15) aus der Gemeinde Ikonongo in Tansania bringt es auf den Punkt. Vor der Fertigstellung des WASH Projekts  hat sie oft in der Schule gefehlt. Als man sie fragt, warum, sagt sie schlicht:

“Ich wollte mich nicht blamieren.”

Was sie meint: Blut auf der Kleidung. Witze von Jungs. Blicke von Lehrer*innen. Es fehlt nicht nur an Produkten; es fehlt vor allem an einem offenen, angstfreien Umgang mit dem Thema. 

well:fair arbeitet in Tansania – aber auch Äthiopien und Kenia – mit Schulen wie der Ikonongo Primary School zusammen. Dort wurden 2024 neue Latrinen gebaut, getrennt nach Geschlechtern und mit einem eigenen MHM-Raum. Dieser ist, genau wie die Latrinen auch, von innen abschließbar und mit einer Toilette, einer Dusche, Menstruationsprodukten sowie einer Klappe zu einem Schacht versehen. Diese Klappe öffnen die Mädchen selbstständig und werfen die benutzten Binden durch den Schacht in den angrenzenden Ofen. Haben sich genug Binden angesammelt, wird das Feuer im Ofen entfacht und die Binden verbrannt. So entstehen nicht nur keine Abfälle, sondern die Mädchen können ganz frei, ohne Suche nach einem Mülleimer, zurück in den Unterricht laufen. 



Menstruationshygiene in Schulen: Mehr als nur Seife

Auch in Narok, Kenia lernen die Mädchen nicht nur über den eigenen Körper. Sie lernen, dass Menstruation nichts ist, wofür man sich schämen muss. Und die Jungs? Die werden gleich mitgeschult.

Eine gute Menstruationshygiene in Schulen besteht aus:

  • Sicheren, abschließbaren Toiletten mit Wasser und Seife
  • MHM-Räumen mit Toilette, Dusche, Seife und Binden
  • Aufklärungskampagnen für alle Geschlechter
  • Einbindung der Lehrer*innen und der Gemeinde, damit das Tabu auch außerhalb der Schule bricht

Diese vier Bausteine kombinieren wir bei well:fair in unseren Projekten – mit Partnerorgansiationen vor Ort und in enger Zusammenarbeit mit Lehrkräften und WASH Komitees der Gemeinden.

Foto: Einblick in einen MHM-Raum (Menstrual Hygiene Management Raum)

Neema (13) aus Kwatwanga in Tansania war eine der ersten, die den neuen MHM-Raum ihrer Schule nutzen durfte. In einem Interview mit unserem Kollegen Daniel erzählt sie: 

“Früher hatte ich Angst, in die Schule zu gehen, wenn ich meine Tage hatte. Jetzt habe ich einen Ort, an dem ich mich waschen kann. Ich fühle mich sicher.” 

Und ihre Lehrerin ergänzt: 

“Die Mädchen sind mutiger geworden. Sie beteiligen sich mehr am Unterricht. Man sieht, dass sie sich nicht mehr verstecken müssen.” 

Diese Veränderungen lassen sich sogar messen. Studien zeigen: 

  • Mädchen mit Zugang zu funktionierender WASH-Infastruktur haben eine 6,3-mal höhere Chance auf gute Noten.
  • Wer vor der ersten Periode über Menstruation aufgeklärt wurde, lernt im Schnitt 1,8-mal besser .

 

Gesundheitliche Folgen schlechter Menstruationshygiene

Was oft übersehen wird: Schlechte Menstruationshygiene ist nicht nur eine Frage der Bildung. Sie ist auch ein ernstes Gesundheitsrisiko. Wenn Mädchen während ihrer Periode auf improvisierte Materialien wie alte Stoffe, Blätter oder Zeitungen zurückgreifen müssen, erhöht sich das Risiko für Infektionen drastisch. 

In Regionen wie Tigray, Narok und Iringa sind Harnwegsinfekte, bakterielle Vaginosen und Hautreizungen häufige Folgen mangelnder hygienischer Versorgung. Viele Mädchen trauen sich aus Scham nicht, Beschwerden zu äußern – und so bleiben Infektionen unbehandelt, werden chronisch oder führen schlimmstenfalls zur Unfruchtbarkeit. 

Der Zugang zu sauberen, wiederverwendbaren oder einmal verwendbaren Binden, zusammen mit Wasser, Seife und Aufklärung, ist also auch eine Investition in die körperliche Gesundheit. MHM-Räume spielen hierbei eine entscheidende Rolle: Sie bieten nicht nur Rückzugsmöglichkeiten, sondern auch Platz für Aufklärung, Hygiene und Erste Hilfe. 

Ein Schulleiter aus Narok berichtet: 

“Früher hatten wir regelmäßig Fälle, bei denen Mädchen mit starken Schmerzen oder Entzündungen nach Hause geschickt wurden. Heute ist das seltener geworden.”

Gesunde Mädchen lernen besser, nehmen regelmäßiger am Unterricht teil und bleiben der Schule länger erhalten. Es ist ein einfacher Zusammenhang – aber einer, der Leben verändert. 

Menstruation und psychische Gesundheit: Die stille Belastung

Ein oft unterschätzter Aspekt ist die seelische Belastung, die mit schlechter Menstruationshygiene einhergeht. Mädchen, die während ihrer Periode aus Angst vor einer Blamage zuhause bleiben, erleben wiederholt Isolation, das Gefühl des Zurückbleibens – und entwickeln nicht selten ein negatives Körperbild.

In vielen Fällen führt dies zu Stress, Angstzuständen oder depressiven Verstimmungen. Besonders problematisch: Wenn Menstruation ausschließlich mit Scham und Einschränkung assoziiert wird, bleibt das auch im Erwachsenenleben haften. Betroffene berichten von einem gestörten Verhältnis zum eigenen Körper – und von dauerhaftem Schweigen.

Dabei kann ein positiver Umgang mit der Menstruation das Gegenteil bewirken: Mädchen, die in einem sicheren und unterstützenden Umfeld aufwachsen, entwickeln ein gesundes Selbstbewusstsein. Sie lernen, ihren Körper zu verstehen – und ihn nicht zu fürchten. Lehrer*innen, die offen über das Thema sprechen, tragen dazu ebenso bei wie Mütter, die nicht mehr schweigen.

Die psychische Gesundheit beginnt also oft in einem einfachen Raum mit Tür, Seife und Licht. Manchmal kann es wirklich einfach sein. 



Eine Zukunft ohne Angst: Was Bildung wirklich bedeutet

Bildung ist nicht nur ein Schulbesuch. Bildung heißt: Fragen stellen, Antworten finden, sich entfalten. Doch all das ist unmöglich, wenn ein Mädchen während ihrer Menstruation aus Angst und Scham zuhause bleibt. 

In Narok, im Südwesten Kenias, sagte ein Vater nach dem Bau der Sanitäranlagen in der örtlichen Grundschule: “Früher hat meine Tochter regelmäßig gefehlt. Jetzt kommt sie jeden Tag. Sie ist fröhlicher. Und sie will später Ärztin werden.” 

Die Veränderungen beginnt bei etwas scheinbar so Einfachem wie einem sauberen Raum, einem Rück Stoff, einem sicheren Gefühl. Menstruationshygiene ist keine Nebensache. Sie ist der Anfang von allem. 

Für viele Mädchen bedeutet sie: 

  • Regelmäßige Schulbesuche – auch während der Periode
  • Weniger Angst vor Ausgrenzung, Hänselei oder Infektionen
  • Mehr Selbstvertrauen und Beteiligung im Unterricht
  • Hoffnung auf Zukunftsberufe – jenseit von Familie oder häuslicher Arbeit

Was in den MHM-Räumen beginnt, endet oft im Schulabschluss. Und manchmal beginnt dort sogar ein Traum.

Wichtige Begriffe rund um Menstruationshygiene

Was ist ein MHM-Raum?

Ein abgeschlossener Raum mit Toilette, Dusche, Seife, Binden und einem Schacht zu einem Ofen – ausschließlich für menstruierende Schulkinder.

Warum betrifft Menstruation auch Jungs?

Weil sie durch Unwissen Unsicherheit oder Spott verbreiten. Werden sie einbezogen, werden sie zu Verbündeten.

Warum ist Aufklärung so wichtig?

Weil viele Mädchen bei ihrer ersten Periode nicht wissen, was mit ihnen passiert. Angst entsteht dort, wo Wissen fehlt.

Warum gehen Mädchen wegen ihrer Periode überhaupt nicht zur Schule?

Weil sie sich schämen, Angst vor Flecken oder Hänseleien haben – und oft keine Möglichkeit haben, sich unterwegs zu waschen oder zu wechseln.

Was bedeutet WASH konkret an einer Schule?

WASH steht für „Water, Sanitation, Hygiene“ – konkret heißt das: sauberes Trinkwasser, Toiletten mit Handwaschgelegenheiten und Hygieneaufklärung für alle. An Schulen kommen außerdem sogenannte WASH-Clubs zum Einsatz. Sie bestehen aus gewählten Schüler*innen, die sich um die Sanitäranlagen kümmern und das Wissen über Hygiene an ihre Mitschüler*innen weitertragen.

Und was hat das mit dir zu tun?

Sehr viel. Denn funktionierende Menstruationshygiene entscheidet über Zukunft. Bildung. Würde. Gesundheit.

Es geht dabei nicht nur um Latrinen oder Seife. Es geht um Haltung. Um das Recht auf Teilhabe. Um Mädchen, die sonst übersehen würden – und die mit deiner Hilfe sichtbar, stark und selbstbestimmt werden können.

Mit einer Spende von 50 € ermöglichst du einem Mädchen in Kenia, Tansania oder Äthiopien Zugang zu sicherer Menstruationshygiene. Du sorgst dafür, dass sie zur Schule gehen kann, gesund bleibt und sich selbst entfaltet.

Du fragst dich, was du tun kannst? Du tust es schon: Indem du liest, dich informierst und handelst.

Lies weiter und mache Veränderung möglich: