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Entwicklungszusammenarbeit in der Krise: Welche Folgen hat der USAID-Stopp?

17. März 2025

9 Minuten Lesedauer

Als well:fair foundation setzen wir uns seit 2012 für den Zugang zu sauberem Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene (WASH) ein. Durch unsere langjährige und direkte Arbeit in den Projektregionen Äthiopien, Tansania und Kenia und unseren dort ansässigen lokalen Partnerorganisationen, kennen wir die Herausforderungen der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) aus erster Hand und wissen, wie wichtig eine kritische Auseinandersetzung mit diesem Thema ist. In der aktuellen Debatte rund um die Kürzungen der Auslandshilfe und dem faktischen Ende der amerikanischen Entwicklungsbehörde USAID stehen wir nicht nur als Entwicklungssektor, sondern als Gesellschaft vor einer entscheidenden Frage: Welche Verantwortung tragen wir, wenn es um Entwicklungszusammenarbeit geht und welche Rolle spielen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in diesem Kontext? 

Wer ist USAID und warum ist diese Behörde so wichtig?

USAID arbeitet mit Regierungen, Organisationen und Gemeinden vor Ort zusammen und ist eine der größten Hilfsorganisationen weltweit.

Die United States Agency for International Development (USAID) ist eine Behörde der US-Regierung, die Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe in rund 130 Ländern dieser Welt leistet. Sie wurde 1961 von dem damaligen Präsidenten John F. Kennedy gegründet und setzt sich für bessere Lebensbedingungen in den Ländern des globalen Südens ein – zum Beispiel durch Bildungsprojekte, Gesundheitsversorgung und den Wiederaufbau nach Katastrophen. USAID arbeitet mit Regierungen, Organisationen und Gemeinden vor Ort zusammen und ist eine der größten Hilfsorganisationen weltweit. Ihre Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit ist entscheidend für zahlreiche globale Projekte, die darauf abzielen, Armut zu reduzieren, die Gesundheitsversorgung zu verbessern und Bildungschancen zu erhöhen. Nun hat die Regierung unter Trump ihre Unterstützung und damit die Gelder für die Behörde eingefroren.

Die Herausforderungen unserer Welt verschwinden durch Kürzungen nicht – es bedeutet nur, dass weniger Menschen geholfen wird.

USAID-Stopp 2025: Was steckt hinter den Kürzungen der US-Auslandshilfe?

Die Kürzungen der US-Auslandshilfe, das heißt die Gelder der amerikanischen Entwicklungszusammenarbeit, gehen auf den sogenannten “Statefreeze” zurück. Der Begriff „Statefreeze“ beschreibt eine Verordnung von US-Präsident Trump, aufgrund welcher im Februar 2025 zunächst für 90 Tage sämtliche Mittel für die Auslandshilfe der USA eingefroren wurden mit dem Ziel zu überprüfen, ob die Auslandshilfe Programme den amerikanischen Interessen dienen. Die Hintergründe dieser Maßnahme liegen in der „America First“-Agenda der Trump-Administration, die darauf abzielt, die Ausgaben für Auslandshilfe zu reduzieren und behauptet, dass sie direkt den nationalen Interessen der USA zugutekommen. 

Ende Februar verkündete die US-Regierung dann radikale Einsparungen des USAID-Budgets sowie Massenentlassungen, die einem Ende der Behörde gleichkommen. Allein in den USA haben dadurch über 14.000 Menschen ihren Job verloren, weltweit sind bis Anfang März 2025 fast 60.000 Arbeitnehmer*innen betroffen. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels sind die rechtlichen Auseinandersetzungen darum noch nicht abgeschlossen. Ob diese Art der Politik jedoch tatsächlich – wie angekündigt – die nationalen Interessen Amerikas vertritt, ist mit einem Blick auf die Job- und Einnahmeverluste zumindest fraglich. Klar ist schon jetzt, dass die geplanten Einsparungen die amerikanische Wirtschaft empfindlich treffen werden. So sind beispielsweise 80 % der Unternehmen, die Verträge mit USAID hatten, amerikanisch. Besonders hart trifft es die Bauernbetriebe – 2020 allein hat die amerikanische Regierung Nahrungsmittelhilfen im Wert von beinahe 2 Milliarden US-Dollar von amerikanischen Bäuer*innen abgekauft.

Grafik: Bestätigte Jobverluste in Zahlen

Globale Gerechtigkeit steht unter Druck – und mit ihr Millionen Existenzen.

Unterstützer*innen dieser Verordnung durch Donald Trump argumentieren, dass Entwicklungszusammenarbeit nicht selten dazu beiträgt, vermeintlich korrupte Systeme zu stabilisieren, anstatt nachhaltige Veränderungen zu bewirken. Sie sehen kein großes Problem in dem Ende von USAID. Diese Art der Diskussion stellt die Wirksamkeit von Projekten über Ländergrenzen hinaus infrage und somit auch historische Verantwortungen des Globalen Nordens (das heißt Länder wie Deutschland) gegenüber dem Globalen Süden (das heißt Länder wie Äthiopien oder Kenia). Damit wird ein Sektor kritisch unter die Lupe genommen, der seit Jahrzehnten lebenswichtige Arbeit gegen globale Ungerechtigkeiten leistet.

Hunger, Armut, Gesundheitskrisen: Die dramatischen Folgen des USAID-Endes

200.000 Menschen müssen seit der Schließung von USAID jeden Tag auf ihre HIV Medizin verzichten. Jeden einzelnen Tag bleibt 130.000 Frauen und Mädchen der Zugang zu Verhütungsmitteln verwehrt. Und allein in Äthiopien warten 2,4 Millionen Menschen vergebens auf überlebensnotwendige Lebensmittellieferungen, während in Tigray – der äthiopischen Region, in der wir arbeiten – über 60 % der Menschen weiterhin keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Die amerikanische Organisation PEPFAR schätzt, dass allein bis Mitte März über 20.000 Menschen ihr Leben verloren haben – in direkter Folge des Endes von USAID. Das ist ein toter Mensch alle drei Minuten.

Grafik: Auswirkungen der teilweisen Finanzierungssperre von PEPFAR: Geschätzte Todesfälle

Allein bis Mitte März haben über 20.000 Menschen ihr Leben verloren – in direkter Folge des Endes von USAID. Das ist ein toter Mensch alle drei Minuten.

Wie trifft der USAID-Stopp NGOs in Äthiopien und Kenia?

Bei well:fair arbeiten wir mit jeweils einer lokalen Partnerorganisation in Äthiopien, Kenia und Tansania zusammen, mit der wir unsere Projekte umsetzen. Zwei dieser drei Partner sind direkt und massiv von den Kürzungen der USAID Mittel betroffen. Bei unserem äthiopischen Partner REST, einer Organisation mit einer über 40-jährigen Geschichte, arbeiten 450 Angestellte für USAID finanzierte Projekte, die direkt von den Projektstopps betroffen sind. Die Folge: 725.000 Menschen in 33 Bezirken erhalten keine dringend notwendigen Lebensmittel mehr. In Kenia musste unser Partner Amref 20 USAID-finanzierte Projekte stoppen, rund 700 Mitarbeitende mussten von einem auf den anderen Tag freigestellt werden. Die ausbleibenden Zahlungen sorgen für eine signifikante Finanzierungslücke der gesamten Organisation, die als größte afrikanische NGO im Gesundheitsbereich in mehr als acht Ländern aktiv ist. 

Entwicklungszusammenarbeit unter Druck

Für uns als well:fair foundation ist deshalb eines klar: Entwicklungszusammenarbeit muss sich an den Bedarfen der Menschen in den Projektregionen orientieren – nicht an politischen Agenden. Unsere Arbeit im Bereich WASH zeigt, dass gezielte Projekte mit langfristiger Perspektive nachhaltige Veränderungen bewirken können. Doch wir sehen auch, dass internationale Hilfsgelder oft nicht den gewünschten Effekt haben, wenn sie nicht konsequent auf die lokale Realität abgestimmt sind. Die Debatte um die Kürzungen der Auslandshilfen und die Zukunft von USAID muss deshalb aus unserer Sicht grundsätzliche Fragen diskutieren, beispielsweise:

  • Wie kann sichergestellt werden, dass Hilfsgelder direkt bei den Menschen ankommen?
  • Welche Modelle und Strategien können dazu beitragen, Projekte der Entwicklungszusammenarbeit langlebig und nachhaltig umzusetzen? 
  • Sollte man in Ländern mit autoritären Regimen weiterhin Projekte unterstützen?
  • Wie kann eine gute, de-kolonialisierte Entwicklungszusammenarbeit aussehen?

Wir tragen Verantwortung für globale Gerechtigkeit

Wenn nun Regierungen Budgets für diese Arbeit kürzen – sei es in staatlicher oder nicht-staatlicher Umsetzung – können wir keine Antworten auf die oben gestellten Fragen finden. Die Herausforderungen unserer Welt werden durch diese Kürzungen nicht verschwinden, ganz im Gegenteil: Es bedeutet nur, dass weniger Menschen geholfen wird. Es kann unter anderem zur Folge haben, dass sich Hungerkrisen verschärfen, weil Förderprogramme für Kleinbauer*innen gestrichen werden. Epidemien könnten wieder ausbrechen, weil Impfprogramme nicht mehr finanziert werden. 

Die Unterstützung für diese Themen wird nicht weniger wichtig, nur weil sie weniger finanziert werden. Die Welt befindet sich nicht in weniger Krisen – es gibt nur weniger Geld und weniger Wille, um sie zu bekämpfen.

Es ist jetzt an der Zeit, sich mit größeren Fragen und der eigenen Haltung auseinanderzusetzen, denn am Ende können wir eine Sache nicht ignorieren: Länder des globalen Nordens – also auch Deutschland – haben einen Großteil ihres verhältnismäßigen Reichtums und ihrer Machtposition durch Jahrhunderte der Sklaverei, des Kolonialismus und der Ausbeutung auf den Schultern des globalen Südens aufgebaut. Es hat Gründe, dass die Welt so ist, wie sie ist – niemand agiert im luftleeren Raum. Es ist die Aufgabe westlicher Staaten, sich dieser Verantwortung anzunehmen und durch finanzielle Unterstützung den Nachwirkungen dieser Ausbeutung zu begegnen.

Weltwassertag 2025: Jetzt aktiv werden und Wasserprojekte unterstützen!

Wir können uns Hand in Hand für eine gerechtere Welt einsetzen. NGOs, wie wir es sind, retten Leben, unterstützen die Stabilisierung von Gesellschaften und setzen Menschenrechte um. Dafür benötigen wir zivilgesellschaftliche Unterstützung und Stimmen, die sich gegen Ungerechtigkeit und verantwortungsvoll für ihre Mitmenschen einsetzen. Und wir benötigen Spendengelder, denn wir können uns nicht mehr darauf verlassen, dass Staaten oder Regierungen maßgebliche Finanzierungsanteile von Entwicklungsprojekten tragen, wir müssen es als Zivilgesellschaft  selbst tun.

Am 22.März ist Weltwassertag. Anlässlich dieses Tages und den hier beschriebenen aktuellen Herausforderungen werden wir uns weiterhin und unermüdlich für den Zugang zu sauberem Wasser einsetzen – und Du kannst ein Teil davon sein: Jeder Cent Deiner Spende wird in voller Höhe in WASH Projekte eingesetzt: Unterstütze jetzt, denn Wasser ist ein Menschenrecht, das nicht von politischen Interessen abhängig sein sollte. 

Werde selbst aktiv und teile unsere Message. Ab dem 13.03.2025 kannst du dir das Kampagnen-Kit herunterladen und über deine eigenen Social Media Kanäle teilen.

Wer ist USAID und warum ist diese Behörde so wichtig?

USAID ist die US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit und eine der größten internationalen Hilfsorganisationen. Sie finanziert Projekte in über 130 Ländern, darunter Programme zu Bildung, Gesundheit und Nothilfe. Der plötzliche Stopp dieser Mittel stellt die globale Entwicklungszusammenarbeit vor große Herausforderungen.

Was steckt hinter den Kürzungen der US-Auslandshilfe?

Die Kürzungen gehen auf Trumps „Statefreeze“-Verordnung zurück, die Auslandshilfe zunächst auf Eis legte und dann massive Budgetstreichungen durchsetzte. Ziel war eine angebliche Fokussierung auf nationale Interessen – doch die Folgen sind dramatisch: Zehntausende Jobverluste, wirtschaftliche Schäden und eine Verschärfung globaler Krisen.

Was sind die Folgen des USAID-Endes?

Millionen Menschen sind von den Kürzungen direkt betroffen: 200.000 verlieren täglich den Zugang zu HIV-Medikamenten, 130.000 Frauen und Mädchen bleiben ohne Verhütungsmittel, und allein in Äthiopien warten 2,4 Millionen Menschen vergeblich auf überlebenswichtige Lebensmittelhilfen.

Wie trifft der USAID-Stopp NGOs in Äthiopien und Kenia?

Viele NGOs, darunter auch unsere Partnerorganisationen, stehen vor existenziellen Problemen. In Äthiopien verlieren 450 Mitarbeitende ihre Jobs, wodurch 725.000 Menschen keine Nahrungsmittelhilfe mehr erhalten. In Kenia wurden 20 USAID-finanzierte Projekte gestoppt und 700 Mitarbeitende entlassen.